Introducing Berlin: Lichtenberg Carsten Grajek
Lose yourself in Lichtenberg!
„I keep it gay & you keep it gangster!“ denke ich mir während Capital Bra, der von hier aus Hohenschönhausen kommt, in meinen Kopfhörern läuft und ich mein erstes Foto des Tages vor dem Gedenkstätte Hohenschönhausen knipse. Ich fahre weiter zur Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei und dem DongXuan Center. Letzteres ist Deutschlands bekannteste asiatische Großhandelsmarkt. Auf einem Gelände von 165.000 Quadratmetern haben hier mehr als 400 Unternehmer ihre Geschäfte. Es gibt alles von Lebensmitteln, Textilien, Lederwaren, Kurzwaren, Technik, Schmuck und Dienstleistungen. Es ist eine schrille, bunte, teilweise trashige Welt ganz nach meinem Geschmack. Ebenso wie die Pho Bo Suppe die ich mir hier schmecken lasse. Ich bin glücklich.
Szenenwechsel: Kopfchaos. Ich habe Angst! Ich laufe unsicher und drehe mich mehrmals um, da ich immer speziell im Ostteil Berlins als nicht-binärer Nonkonformist sorge vor einem Angriff habe. Ich laufe zum Stasimuseum, das in der ehemaligen Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR untergebracht ist, um mich mit der vorgefertigten Meinung zu konfrontieren die scheinbar gerade aus mir herausbricht. Der Ost-West-Konflikt spielt dabei eine große Rolle. Ich möchte mehr und möglichst unparteiisch wissen was damals vor Ort geschah und an dem Abbau meiner Angst und Bewertung arbeiten…
Ich laufe durch das Archiv und schaue mir die Spionageausrüstungen an. Selbst in Familien wurde damals gegenseitig bespitzelt. Es wird geschildert, dass viele vor dem Druck der Diktatur, der mangelnden (Meinungs)-Freiheit und den verbundenen Bestrafungen geflüchtet sind. Ich finde es sehr schockierend. 1989 ist die Mauer und somit das Regime offiziell gefallen – da war ich 1 Jahr alt. Wie schlimm muss das Leben für Andersdenkende und Andersliebende gewesen sein frage ich mich. Ich verlasse das Museum und bin von der Informationsflut und meinem inneren Zwiespalt erschöpft. Auf dem Weg zur U-Bahn Magdalenenstraße nehme ich die Elfgeschosser plötzlich wie die damaligen Umstände als „genormt“, „linientreu“ und „vereinheitlicht“ wahr. Ich setze mich für einen Moment vor den U-Bahn-Ausgang um meine Eindrücke zu verarbeiten. Ich hole tief Luft, blicke Richtung Sonne und schließe meine Augen. Als ich diese wieder öffne und sich der schwarze Schleier auf den Pupillen langsam auflöst erkenne ich wie mir zwei Männer Hand in Hand entgegenkommen. Ein Zeichen auf dass ich scheinbar gewartet habe. Sie zeigen mir ganz ohne Worte, dass es Zeit wird los zu lassen und „eine neue Platte“ aufzulegen. Ich erkenne: Lichtenberg lacht, Lichtenberg liebt, Lichtenberg lebt!
30 Jahre nach Fall der Mauer weiterhin dieses „Gedankengut“ von Ost und West, richtig oder falsch, als Erbe in meinem Kopf aufrecht zu erhalten empfinde ich nicht mehr als zeitgemäß. Das Konzept will nicht mehr passen. Zwischen Schwarz und Weiß ist ganz viel Regenbogen! Alltags-Homophobie und Diskriminierung gab und gibt es leider überall. Wie sollte man soetwas allerdings entgegen? Überall Farbe bekennen – Show your true colors und bleibe offen. Es hat etwas mit gegenseitigen Respekt und Toleranz zu tun. Wer Respekt will muss diesen auch geben. Der Tag an dem einem gegenüber die Vorurteile aufhören ist der Tag an dem man selber keine mehr hat!
Der Bezirk lehrt mich: „Earning kommt von Learning!“